Das Systemische Denken
Die Einrichtung der Stiftung Kinder- und Jugendhilfe Hümmling strebt gemeinsam mit den Kindern, Jugendlichen und den jungen Volljährigen in enger Zusammenarbeit mit ihren Angehörigen eine Verbesserung der Zukunftschancen und Lebensperspektiven an, indem sie wieder Verantwortung für die Gestaltung ihres eigenen Lebens übernehmen.
Handlungsleitend für die Arbeit in der Gesamteinrichtung ist die systemische Sichtweise, die immer die Einbindung des Systems Familie
in das erweiterte soziale Umfeld mit berücksichtigt.
Virginia Satir prägt unsere Arbeit und unser Leitbild durch ihre Weltanschauung des menschlichen Bildes:
"Wir halten diese Wahrheit für in sich einleuchtend: dass alle Personen gleichwertig geschaffen sind; dass sie von ihrem Schöpfer mit gewissen unveräußerlichen Rechten ausgestattet sind, darunter Leben, Freiheit (zu sehen, hören, fühlen, denken, fragen, riskieren) und Streben nach einem Selbstwertgefühl."
Kinder, Jugendliche, junge Erwachsene und die Angehörigen unserer Betreuten "sind fähig, andere um Hilfe zu bitten, aber sie glauben an ihre eigene Entscheidungsfähigkeit und an ihre Kräfte in ihnen selber.
Weil sie sich selber wertschätzen, können sie auch den Wert ihrer Mitmenschen wahrnehmen und achten. Sie strahlen Vertrauen und Hoffnung aus. Sie haben ihre Gefühle nicht mit Regeln belegt. Sie akzeptieren alles an ihnen selbst als menschlich."
Wir versuchen nur, diese enormen Ressourcen zu erwecken.
Das höchste Maß an Respekt, Vertrauen, Achtung, Wertschätzung und Loyalität verdienen nicht nur die o.g. Adressaten, sondern auch die am Erziehungsprozeß Beteiligten, wie die MitarbeiterInnen des Jugendamtes, der Schule, der Kinder- und Jugendpsychatrie, usw.
Die klare und feste Überzeugung dieses Menschenbildes ist der Ursprung unserer konkreten Hilfen und Strukturen.
Aber was ist eigentlich das Systemische Denken?
Als Hauptmerkmal des Systemmodells kann gelten, dass sich die Aufmerksamkeit nicht auf das einzelne Objekt, sondern auf die Beziehungen, die zwischen den Objekten existieren, konzentriert.
Systemisches Handeln erfasst Ganzheiten und nicht Individuen. Jeder Einzelne ist mit dem anderen so verbunden, dass eine Veränderung des Einzelnen zwangsläufig eine Veränderung des gesamten Systems mit sich bringt.
Bei dieser Sichtweise muss die Familie als Ganzes gesehen werden.
Das heißt, bei Problemen in der Familie, die oft nur an einer Person, z.B. dem Kind, sichtbar werden, wird die ganze Familie zum Patienten.
Offen oder verdeckt fühlen diese Familien sich als schuldig, inkompetent, abweichend und damit minderwertig eingeordnet, was die übrigen Familien natürlich aufwertet und den Einrichtungen der Jugendhilfe einen übergeordneten Stellenwert zuschreibt, die durch den Einsatz ihrer professionellen Erzieher und Therapeuten die Mängel beseitigen und damit den Familien vorführen, wie sehr sie versagt haben, was alles sie versäumt haben, usw.
Aus diesem linearen Denken entsteht zwangsläufig ein Konkurrenzverhalten zwischen den Einrichtungen und der Familie um die Frage, wer der bessere Erzieher für das Kind ist und wer die Erziehungsarbeit besser machen kann.
Das systemische Denken verlangt ein anderes Herangehen:
Es wird nicht nach Ursache und Schuld gefragt, es findet keine moralische Bewertung nach welchen Kriterien auch immer statt und es geht nicht mehr um ein Ausmerzen vermeintlicher Missstände und Defizite.
Vielmehr liegt der Focus auf der Funktionalität der Familien-Systeme: das Kind wird als "Identifizierter Patient" (IP) betrachtet, der im Sinne dieser Funktionalität des Systems eine wichtige Rolle übernommen hat und als konstruktiv verstanden wird.
Kinder und Jugendliche werden nicht mehr als in erster Linie pathologisch eingestuft, sondern im Zusammenspiel mit den Menschen des Lebenssystems betrachtet und untersucht, welche Aufgaben sie für das System übernommen haben.